Vor einer Woche war ich mal wieder am Rheinufer im Kölner Norden. Neben Weiden stehen dort auch Silber-Pappeln im Sand, die ihren Namen den behaarten, silbrig oder weiß schimmernden Blattunterseiten verdanken - ähnlich wie die Silber-Weiden und Silber-Ahorne:

 Auf einmal fiel mir diese seltsame Zigarre auf: ein eng aufgerolltes vertrocknetes Blatt in einem ebenfalls aufgerollten grünen Blatt.

Was mochte wohl im Inneren stecken, und wer hatte die Zigarre gerollt?

Ich habe den noch intakten Blattstiel des grünen Blattes abgeknipst, um gleich vor Ort eine Autopsie vorzunehmen.

Das äußere Pappelblatt war mit der Oberseite nach außen aufgerollt und am Rand mittig mit drei gleichartigen und gleich weit voneinander entfernten Klebefäden zusammengeheftet, die mich an Verbandsklammern erinnerten:

Das war sicher eine reine Instinkthandlung, wirkt aber sehr überlegt, geradezu akribisch berechnet: Wo muss ich das Blatt festheften, um mit möglichst geringem Material- und Zeitaufwand eine stabile Rolle zu erhalten? Und wie so oft wirkt das Ergebnis dieses evolutionären Optimierungsprozesses auf uns zugleich ästhetisch befriedigend - wie liebevoll Handwerkskunst.

Dennoch habe ich das Werk zerstört und und zunächst das äußere Blatt entrollt. Zwischen der äußeren und der inneren Rolle hockten drei kleine Zweipunkt-Marienkäfer, von denen zwei sofort das Weite suchten. Außer ihnen und zwei Pflanzenläusen konnte ich keine Bewohner entdecken:

Schön, dass es hier noch Zweipunkt-Marienkäfer gibt; sie haben unter der Ausbreitung der größeren und gefräßigen Asiatischen Marienkäfer zu leiden.

Auch die vertrocknete innere Rolle wurde von weißen Haftfäden am Rand zusammengehalten. Außerdem hing an ihr ein kleiner weißer Kokon, der leer zu sein schien. Und es gab ein rechteckiges Loch im Blatt, ein kleines Fenster:

Auch dieses Blatt war mit der Oberseite nach außen zusammengerollt worden. Im Inneren fand ich nichts Aufregendes:

Erst zu Hause habe ich die Zigarrendreherin identifiziert: Es ist das Weibchen des überaus treffend benannten Pappelblattrollers, eines schillernden kleinen Käfers. Schade, dass ich ihn nicht angetroffen habe. Der hier verlinkte Wikipedia-Artikel enthält Videos, die ein Weibchen bei der Arbeit zeigen. Das Männchen ist dabei nicht gerade eine Hilfe! Die Blattwickel, in denen die Käferlarven heranwachsen, können aus einem Blatt oder zwei, ja sogar drei Blättern bestehen. Eigentlich sollen die Wickel zu Boden fallen, da die Larven sich später im Boden verpuppen müssen. Dazu bohrt das Weibchen die Blattstiele an. Das gelingt offenbar nicht immer, wie mein Fund zeigt. Es wird auch nicht in jeden Wickel wirklich ein Ei gelegt; fünf Prozent bleiben leer.

Sollte ich bei einem der nächsten Ausflüge zufällig auf einen der schillernden Käfer stoßen, reiche ich noch ein Foto nach!