Muster des Monats; (c) Stephan Matthiesen 2021

Viele Flüsse und Bäche fließen nicht, wie man es vielleicht erwarten würde, auf dem kürzesten Weg geradlinig durch die Landschaft, sondern mäandern: Sie bilden Windungen.

Der Name für diese Flussschlingen kommt von dem türkischen Fluss Menderes, der in der Antike auf griechisch Maiandros und auf Latein Maeander hieß. Mäander hatten wir schon einmal im Muster des Monats 05/2015 in einem Blick aus dem Flugzeug aus weiter Entfernung. Nun kam ich an einer Stelle vorbei, bei der man die Details der Entstehung sehr deutlich sehen kann: am Logan Burn im Green Cleugh in den Pentlands, ein paar Kilometer außerhalb von Edinburgh. Zunächst ist das ein guter Anlass, ein hübsches Landschaftsbild mit meinem Fahrrad zu zeigen.

Mäander am Logan Burn; (c) Stephan Matthiesen 2021

Schauen wir uns eine Schlinge genauer an.

Mäander am Logan Burn; (c) Stephan Matthiesen 2021

Die beiden Ufer unterscheiden sich in ihrem Charakter völlig. Das Ufer auf der Außenseite der Schlinge, auf der rechten Bildseite, ist sehr steil, dagegen liegt am Ufer der Innenseite, auf der linken Bildseite, eine weite Geröllfläche. Wir blicken entgegen der Fließrichtung, das linke Bachufer ist also rechts im Bild; in den ersten beiden Bildern blicken wir dagegen in Fließrichtung, dort ist das linke Ufer also links.

Das steile, äußere Flussufer nennt man Prallhang. Warum es so heißt, ist klar: Das Wasser, das im Bild von links kommt, muss ein scharfe Rechtskurve machen und "prallt" praktisch an diesem Hang ab. Dadurch wird dieser Hang unterspült und bröckelt ab.

Mäander am Logan Burn; (c) Stephan Matthiesen 2021

Mäander am Logan Burn; (c) Stephan Matthiesen 2021

Das innere Ufer einer Schleife nennt man Gleithang, weil an ihm das Wasser sanfter vorbeigleitet. Hier fließt es auch langsamer, sodass sich mitgeführtes Material ablagert. Dass das grobe Geröll erst kürzlich, wohl in den letzten Jahren, hier abgelagert wurde, sieht man daran, dass sich bisher nur an einigen Stellen Gras angesiedelt hat.

Mäander am Logan Burn; (c) Stephan Matthiesen 2021

Das Wasser ist am Prallhang auch tiefer als am Gleithang, wie man an zwei anderen, weniger engen Schlingen sieht (diesmal wieder in Fließrichtung aufgenommen; diese beiden Schlingen sind diesmal also "Linkskurven"):

Mäander am Logan Burn; (c) Stephan Matthiesen 2021

Mäander am Logan Burn; (c) Stephan Matthiesen 2021

Man kann sich leicht vorstellen, dass das Wasser an der flachen Seite des Bachs langsamer fließt als an der tiefen Seite, sodass sich am Gleithang immer mehr Material ansammelt und er immer weiter in den Bach hinein wächst, während der Prallhang weiter abgetragen wird. Zu Zeiten, an denen der Bach mehr Wasser führt, wird die Geröllbank überschwemmt und wächst dann auch nach oben.

Durch diese Sedimentation auf der Innenseite und Erosion auf der Außenseite werden die Schlingen im Laufe der Zeit immer ausgeprägter und enger; der Bach verändert sich ständig und neigt dazu, immer weitere Mäander zu bilden. Dies ist ein klassisches Beispiel eines Wachstumsprozesses durch eine sich selbst verstärkenden Rückkopplung.

Dies funktioniert natürlich nur in einer Ebene mit relativ geringem Gefälle, in der der Bach genug Platz hat und nicht durch Berge oder andere geologische Faktoren eingeschränkt ist. Ist das Gefälle zu groß, wirkt die Schwerkraft zu stark in eine Richtung und unterdrückt die Ausbildung von Mäandern, und der Bach fließt eher geradlinig hangabwärts, wie hier ein Stück weiter den Weg entlang (erneut ein Anlass für ein Bild des Fahrrads in einer hübschen Landschaft)

Mäander am Logan Burn; (c) Stephan Matthiesen 2021