Muster des Monats 07/2018; (c) Stephan Matthiesen

Was ist das für ein schillernder Leuchtfleck am Himmel? Ein Regenbogen ist es nicht, viel zu verwaschen und auch kein Bogen, sondern eher ein heller Fleck in den Wolken mit einer leicht farbigen Struktur.

Auf der anderen Seite des Baums ist noch so ein Fleck:

Nebensonne; (c) Stephan Matthiesen

Die beiden Flecken befinden sich beiderseits des Baums; die Sonne steht direkt hinter dem Baum (ich habe versucht, sie möglichst durch den Stamm zu bedecken, damit sie nicht alles überstrahlt):

Nebensonnen; (c) Stephan Matthiesen 2018

Da man das in der Gegenlichtaufnahme mit all den Helligkeitsunterschiede in den Wolken nicht besonders gut sieht und die Farben auch nicht so stark erscheinen, habe ich die beiden Punkte und die Sonne in der Mitte hier markiert:

Nebensonnen; (c) Stephan Matthiesen 2018

Es ist also wirklich kein Bogen bzw. nur ein kurzes, angedeutetes Bogenstück: Zwei relativ isolierte helle Punkte stehen im gleichen Abstand beiderseits der Sonne. Man nennt diese Lichterscheinung "Nebensonnen". Sie treten in einem Winkelabstand von 22° von der Sonne auf; dies ist also der Winkel zwischen den beiden Sichtlinien Kamera-Sonne und Kamera-Nebensonne.

Wie kommen sie zustande? Aus der geometrischen Beobachtung, dass sie in einem festen Winkelabstand zur Sonne auftreten, kann man sofort folgern, dass es sich nicht um materielle Objekte am Himmel handelt, sondern um eine optische Erscheinung, die durch die Ablenkung des Sonnenlichts entsteht. Am ersten Bild sieht man zudem sehr schön, dass nur die Wolken aufgehellt sind, nicht aber der blaue Himmel selbst - die Lichtablenkung muss also in den Wolken geschehen.

Was sind das für Wolken? Wolkenformen hatten wir schon ein einige Male: Im Muster des Monats, 09/2016 habe ich das Entstehen von Wolken erklärt und ganz kurz die Haupttypen angesprochen - für den Anfang genügen die drei Grundformen "Haufenwolken" (Cumulus), "Schichtwolken" (Stratus) und "Federwolken" (Cirrus). Die Wolken in diesem Bild sind Cirrus, also Federwolken. Cirruswolken hatten wir im Muster des Monats, 10/2010 (huch, das ist aber lang her!) schon einmal betrachtet; dort ist sogar ebenfalls eine Nebensonne zu sehen und im letzten Absatz kurz beschrieben.

Cirruswolken sind sehr hohe Wolken, die in Höhen von 7 km bis 12 km liegen. In diesen Höhen liegt die Temperatur unter dem Gefrierpunkt, je nach Höhe und Situation zwischen 0° und -50° oder tiefer. Im Flugzeug sieht man in der Reiseflughöhe, wie an den Fenstern kleine Eisblumen wachsen. Auch Cirruswolken bestehen daher aus Eiskristallen, anders als tiefere Wolkenformen, die aus Wassertröpfchen gebildet werden.

Eiskristalle haben eine sechseckige (hexagonale) Grundfläche und sind nadelförmig oder plättchenförmig. Für Nebensonnen sind die plättchenförmigen Kristalle relevant. Sie sehen etwa so aus:

Sun dogs crystall.png
Quelle: Wikipedia, von TadejMe - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Diese Grafik (aus dem recht detaillierten Wikipedia-Artikel über Nebensonnen) zeigt zudem die Brechung eines Lichtstrahls. Das weiße Licht der Sonne (links oben) wird zweimal an den Grenzflächen gebrochen und insgesamt um einen Winkel von etwa 22° abgelenkt und dabei auch in die Farbkomponenten getrennt: Rotes Licht wird etwas weniger gebrochen, blaues Licht etwas mehr (orange, gelb und grün liegen dazwischen und sind hier nicht gezeigt). Deshalb erscheinen die Nebensonnen in einem Winkelabstand von etwa 22° neben der Sonne, wobei der Bereich näher zur Sonne etwas rötlich, der sonnenferne Bereich etwas bläulich erscheint.

Ein weiterer Aspekt ist wichtig: Die Eiskristallplättchen liegen in der Luft aus aerodynamischen Gründen alle horizontal; sie sind nicht in alle möglichen Richtungen geneigt. Deshalb findet die Lichtbrechung nur in einer horizontalen Ebene statt und die Nebensonnen erscheinen als Flecken horizontal neben der Sonne, nicht über oder unter ihr.

Wie die viel bekannteren Regenbögen sind Nebensonnen also eine optische Erscheinung, und es ist ganz interessant, sich die Unterschiede zwischen den beiden Phänomenen zu vergegenwärtigen. Regenbogen entstehen durch Lichtbrechung in Wassertröpfchen. Diese Grafik (aus dem Wikipedia-Eintrag für Regenbogen) zeigt den Lichtweg:

Rainbow1.svg
Quelle: Wikipedia, von KES47 - Eigenes Werk, Gemeinfrei, Link

Während das Licht im Eiskristall nur um einen kleinen Winkel abgelenkt wird, wird es in Wassertropfen durch zwei Brechungen und eine Reflexion fast in die Gegenrichtung zurückgeworfen. Einen Regenbogen sieht man daher, wenn man die Sonne im Rücken hat, während die Nebensonne neben der Sonne erscheinen.

Zweitens sind Regentropfen kugelförmig und nicht flach wie die Eiskristalle. Deshalb tritt dieselbe Brechung und Reflexion nicht nur in einer horizontalen Ebene auf, sondern auch tiefer und höher am Himmel. Ein Sonnenstrahl, der z. B. zunächst weit über unseren Kopf hinweggeht, wird von Wassertröpfchen nach unten umgelenkt. Man sieht also nicht nur Flecken in horizontaler Richtung, sondern einen ganzen Bogen - den Regenbogen eben. Der Regenbogen hat einen Radius von 42°, weil das Licht gerade in diesem Winkel zurückgeworfen wird. Auch Nebensonnen können aber zu Bögen werden, wenn die Eiskristalle durch Luftturbulenzen in alle Richtungen durcheinandergewirbelt werden, sodass einzelne Kristalle das Licht nicht mehr nur horizontal, sondern auch nach oben und unten umlenken. Man spricht dann von 22°-Bögen, die aber selten sind.

Die Aufspaltung in Farben unterscheidet sich ebenfalls. In beiden Fällen wird das rote Licht an den Grenzflächen weniger stark gebrochen, aber da im Wassertropfen zusätzlich eine Reflexion an der Tropfen-Rückseite auftritt, ist der Regenbogen innen blau und außen rot, während die Nebensonnen außen (sonnenfern) blau und innen (sonnennah) rot sind.

Schwebende kleine Regentropfchen haben zudem eine ziemlich perfekte runde Form, während Eiskristalle durch ihr Wachstum oft Unregelmäßigkeiten und raue Oberflächen haben. Durch Luftturbulenzen sind die Eiskristalle zudem nicht alle perfekt ausgerichtet, während das bei den runden Tropfen egal ist. Deshalb ist auch die Auftrennung des Lichts in Spektralfarben beim Wasser viel genauer und ein Regenbogen hat viel leuchtendere Farben, während die Farben in Nebensonnen eher bleich und verwaschen sind.