Palsa im Brackvenn, (c) Andrea Kamphuis 2024

Ostbelgien, im Brackvenn, westlich von Mützenich: Eine runde, mit gelbbraunem Pfeifengras aus dem Vorjahr bewachsene Fläche, umgeben von noch kahlen Büschen, Heidekraut, Preiselbeeren. In der Mitte ein Tümpel. Wie ist dieser Kreis entstanden, und wie nennt man diese Gebilde?

Wandert man auf Holzstegen oder über schlammige (offizielle!) Trampelpfade durch das Brackvenn, sieht man hier und da runde Tümpel - zum Teil verlandet wie hier:

Trockengefallener Sumpf im Brackvenn, (c) Andrea Kamphuis 2024

Manche der Formationen haben einen so großen Durchmesser, dass man ohne Vogelperspektive gar nicht beurteilen kann, ob sie wirklich rund sind:

Großer runder Sumpf im Brackvenn, (c) Andrea Kamphuis 2024

Oftmals sind sie von Erdwällen umgeben. Da aber im Moor über Jahrhunderte Torf abgebaut wurde, Entwässerungsgräben angelegt und in letzter Zeit Wiedervernässungsprojekte durchgeführt wurden, ist nicht leicht einzuschätzen, ob ein Wall oder Damm wie jener hinter diesem Gewässer von der Natur oder von Menschenhand geschaffen wurde:

Gewässer im Moor, dahinter ein Erdwall. (c) Andrea Kamphuis 2024

Da sehnt man sich nach einer Drohne, um den Umriss besser zu erfassen. Aber abgesehen davon, dass wir keine Drohen haben, ist ihr Einsatz hier - wie offenbar im ganzen Hohen Venn -  strikt untersagt:

Beginn eines Moorwanderwegs mit Verbotsschildern, (c) Andrea Kamphuis 2024

Bei diesem Damm waren wir uns eigentlich sicher, dass Menschen ihn geschaffen haben - so schnurgerade, wie er ist:

Gewässer im Moor, das rechts durch einen geraden Damm begrenzt ist. (c) Andrea Kamphuis 2024

Kurioserweise ist aber ein Foto dieses Gewässers (von etwas weiter links aufgenommen) im Wikipedia-Artikel über das Hohe Venn mit "Palsen mit Brackvenn" beschriftet. Gut, Palsen sind also nicht immer kreisrund, sondern je nach Geländegefälle usw. auch mal angeschnitten oder langgestreckt.

Mangels Drohne habe ich ein Luftbild unter freier Lizenz herausgesucht, um das Gebiet unserer Wanderung im März 2024 aus der Vogelperspektive zu zeigen:

Luftbild mit Palsas; Quelle: Luftbild NRW, https://geoportal.staedteregion-aachen.de/?viewid=219&rw=299400.338&hw=5605308.058&scale=7500

Manche der Kreise sind nur noch schwach zu erahnen, andere sind durch den gelbbraunen Bewuchs im Inneren oder die üppigere Vegetation auf den Ringwällen klar zu erkennen. Einige sind ganz oder teilweise mit dunklem Wasser gefüllt, andere verlandet.

Aber wie sind die runden Landschaftsstrukturen entstanden? Wir haben hier schon zweimal ähnliche Kreisformen behandelt: Dolinen und Maare. Die Ringwälle im Moor haben noch einmal eine andere Genese, die auf diesem Schild am Rande des besonders großen Kreises oben auf dem dritten Foto erklärt wird:

Infotafel zur Entstehung von Lithalsen am Eingang eines Rundwanderwegs

Ja, es stimmt: Die Geologie spricht hier im Venn von Lithalsen anstatt von Palsen, weil die Torfschicht im Inneren der Wälle sehr dünn ist oder ganz fehlt. Aber außerhalb der Fachwelt ist die Bezeichnung Palsen viel gebräuchlicher.

Eine ähnliche Darstellung der Entstehungsphasen wie auf der Infotafel findet sich im Blog "Aufmerksam Wandern": Der Boden war hier vor 12.000 bis 10.000 Jahren, in der ausgehenden Weichselkaltzeit, dauerhaft gefroren (Permafrost) und oft auch von Schnee bedeckt. Wo die Sonneneinstrahlung lokal den Schnee zum Schmelzen brachte, war der Boden mit flüssigem Wasser gesättigt. Fror es dann erneut, bildeten sich kleine Eislinsen. Da Eis ein größeres Volumen hat als Wasser, wölbte sich der Boden ein wenig auf. Dieses Schmelzen und Gefrieren wiederholte sich vielfach, der Boden bildete allmählich einen regelrechten Dom von einigen Dutzend Metern Durchmesser. Die Erde rutschte von diesen Kuppeln ringsum zu den Seiten ab und häufte sich dort an. Das Klima änderte sich, der Permafrost verschwand und damit auch die Eislinsen. Die Dome sackten in sich zusammen; ihre Oberfläche lag schließlich tiefer als die sie umgebenden Erdwälle. In der Mitte entstanden Gewässer und später Niedermoore.

Wer es noch genauer wissen will, dem sei diese Abhandlung aus dem Repositorium der Universität Lüttich empfohlen: A. Pissart (2013): Palsas and Lithalsas (PDF).

Neben den Lithalsas bekommt man auf der Rundwanderung durchs Brackvenn auch Torf zu sehen: An einer Stelle wurde ein Aufschluss angelegt. Hier wie an weiteren Stationen erklären mehrsprachige Infotafeln das Moor.

Aufschluss, in dem man die Torfschicht sieht. (c) Andrea Kamphuis 2024

Wie Moore entstehen, muss ich hier zum Glück nicht darstellen, denn das hat Stephan bereits 2019 in einem Muster des Monats getan: "Nasse Füße"

Die unvollständige Verrottung des organischen Materials, vor allem der Moose, führt nicht nur zur Entstehung von Torf, sondern auch zu allerlei Huminsäuren, die das Wasser im Moor braun färben:

Dunkelbraunes Moorwasser mit weißem Schaum, (c) Andrea Kamphuis 2024

Die Stege führen zum Teil regelrecht durch die Gewässer hindurch - sehr idyllisch, wenn die Wolkendecke aufreißt und sich der blaue Himmel im Wasser spiegelt:  

Holzsteg über ein Moor-Gewässer im Brackvenn, (c) Andrea Kamphuis

Auch einige Erdkröten ließen sich blicken; schließlich war gerade Paarungszeit:  

Erdkröte von vorn im Sonnenschein, (c) Andrea Kamphuis

Eine ausgesprochen reizvolle, zugleich sehr karge Landschaft, die man aber nur in Gummistiefeln und selbstverständlich nur auf den ausgewiesenen Wegen betreten sollte.

Schade, dass ich die Palsas oder Lithalsas in diesem Moor nicht von oben zeigen konnte und ihre runde Form wegen der Birken und Büsche ringsum nur ansatzweise zu erkennen ist. Als wir 2016 in Westgrönland waren, sind wir ebenfalls an Palsas vorbeigekommen. Hier war die Vegetation flacher und auch die Perspektive besser, wegen der flachen Hügel ringsum:  

Palsa in Westgrönland, am Arctic Circle Trail. (c) Roland Dieterich

Somit kann das Principia-Magazin nun gleich drei kreisförmige Muster des Monats mit unterschiedlichen geologischen Entstehungsmechanismen vorweisen. Aber nicht jeder Kreis, nicht jede runde Kuhle im Boden ist von der Natur erschaffen worden. Als ich letzte Woche in einem Auwald bei Merkenich im Kölner Norden unterwegs war, fielen mir etliche dieser Krater auf - vermutlich Hinterlassenschaften von Bombern der Alliierten im Zweiten Weltkrieg:

Runde Kuhle in einem Auwald, (c) Andrea Kamphuis 2024