Muster des Monats August 2014; (c) Stephan Matthiesen

Klar, flache Kieselsteine. Aber fällt Ihnen etwas an der Lagerung dieser Kieselsteine auf?

Wir befinden uns an einer Felsenküste auf der Halbinsel Scoraig, im äußersten Nordwesten Schottlands.

Kies in Scoraig; (c) Stephan Matthiesen

Die Kieselsteine sind nun nicht, wie man es vielleicht erwarten würde, durch die Bewegung des Wassers völlig willkürlich und zufällig angeordnet, vielmehr liegen sie in manchen Bereichen (etwa in der Bildmitte des ersten Bildes) alle senkrecht oder hochkant, während sie in anderen Bereichen alle waagrecht - flach - liegen. Statt eines gleichmäßigen Durcheinanders entstehen also mehr oder weniger ausgedehnte "Domänen" von jeweils parallel ausgerichteten Steinen.

Wie kommt das zustande? Die ungefähr gleich großen, flachen Steine sind am dichtesten gepackt, wenn sie parallel zueinander liegen. Wenn also an einer Stelle zufällig ein paar Steine hochkant ausgerichtet sind, z. B. weil sie sich im Boden verkanten, dann werden andere, die von den Wellen herumgeschoben werden, sich schließlich ebenfalls hochkant an sie anlegen, weil sie dann relativ stabil stehen, sich gegenseitig stützen und so auch den geringsten Raum einnehmen. An anderen Stellen, wo schon viele Steine flach liegen, bleiben auch die neu hinzugespülten Steine eher flach liegen, weil sie hochkant nicht stabil stehen, sondern umkippen.

Die Domänen entstehen also letztlich, weil es einen Mechanismus gibt, der benachbarte Steine parallel ausrichtet. Ein vergleichbares Ordnungsphänomen - auf ganz anderer physikalischer Grundlage - spielt z. B. auch bei ferromagnetischen Stoffen eine Rolle: Auch bei ihnen bilden sich (mikroskopisch kleine) Domänen (die so genannten Weiss'schen Bezirke), in denen die "Elementarmagnete" (die magnetischen Momente der einzelnen Atome) jeweils parallel ausgerichtet sind; durch diese Ausrichtung summieren sich die winzig kleinen magnetischen Momente und erzeugen ein deutlich stärkeres Magnetfeld.

Zurück zur schottischen Küste:

Steinkueste in Scoraig; (c) Stephan Matthiesen

Warum besteht der Grobkies hier fast nur aus flachen Steinen? Das anstehende Gestein ist ein Sandstein, der Torridon-Sandstein. Er wurde vor ungefähr einer Milliarde Jahren in Flüssen und Seen in flachen Schichten abgelagert. Er lässt sich relativ leicht entlang dieser Schichtung spalten; man sieht hier deutlich, wie dabei flache Steinplatten entstehen:

Sandstein in Scoraig; (c) Stephan Matthiesen

Nebenbei sieht man hier neben der waagerechten Schichtung auch die senkrechte, rechtwinklige Klüftung des Gesteins: Durch tektonische Spannungen im Gestein sind senkrechte Trennflächen entstanden, durch sie hat sich die "Treppenstufe" gebildet, die in der Bildmitte zu sehen ist.

Diese brettartig dünnen Steinplatten eignen sich übrigens gut als Baumaterial anstelle von Holzbrettern, da Bäume im Norden Schottlands vielerorts selten sind. Sie wurden seit der Jungsteinzeit bis in die Neuzeit für Bänke, Tische, Regale, Kamine und ähnliche Einrichtungen verwendet - berühmt ist die jungsteinzeitliche Siedlung Skara Brae auf Orkney, deren etwa 5000 Jahre alte Steinmöblierung unwillkürlich an Fred Feuerstein und seine Cartoon-Nachbarn denken lässt.

Der Sandstein verwittert auch entlang dieser Schichtung, und das folgende Bild dürfte verdeutlichen, warum dabei am Ende flache, abgerundete Kieselsteine übrig bleiben:

Sandsteinverwitterung in Scoraig; (c) Stephan Matthiesen

Die flache, glatte, trockene und warme Oberfläche des anstehenden Gesteins ist übrigens nicht nur bei Wanderern als Ruheplatz beliebt:

Robben in Scoraig; (c) Stephan Matthiesen

Robben in Scoraig; (c) Stephan Matthiesen

Nahe heran kommt man an die Sonnenbadenden freilich nicht, sie ziehen es vor, sich ins sichere Wasser zurückzuziehen, in das wir Menschen ihnen nicht folgen werden, und uns von dort aus zu beobachten:

Robben in Scoraig; (c) Stephan Matthiesen

Robben in Scoraig; (c) Stephan Matthiesen