Pflasterähnliche Steine an der Oberfläche am Kirkjugárd, Island; (c) Stephan Matthiesen 2011

Die Bild stammt von einem kleinen Ort auf Island, an dem schon im Frühmittelalter, noch vor der Landnahmezeit durch die Wikinger, irische Mönche gesiedelt haben sollen; die pflasterartige Fläche im Bild ist als der "Kirchenfußboden" bekannt. Nun fragen Sie sich vielleicht: Was könnte ein verwitterter alter Kirchenfußboden mit Naturphänomenen zu tun haben?

Die Steinfläche ist ungefähr rechteckig, etwa so groß wie ein Haus (etwa 30 Metern lang und 10 Meter breit) und liegt etwas isoliert inmitten von Feldern.

Kirkjugárd aus der Ferne, eine etwas erhabene Plattform aus Steinen inmitten von Feldern; (c) Stephan Matthiesen 2011

Die Oberfläche scheint ganz sauber mit mehreckigen (polygonalen) Platten gepflastert zu sein (Taschenmesser als Größenvergleich):

Oberfläche des Kirkjugárd; eine Struktur aus mehreckigen Formen, die an eine Pflasterung erinnert; (c) Stephan Matthiesen 2011

Die Struktur heißt tatsächlich Kirkjugólf (Kirchenfußboden), hat aber mit Kirchen nichts zu tun. Ich wollte Sie ganz kurz in die Irre führen: Indem ich diesen Text mit einem Satz über die kirchliche Besiedlung angefangen habe, habe ich versucht, Ihre Gedanken in eine bestimmte Richtung zu leiten, um unbewusst Ihr weiteres Verständnis zu beeinflussen; diesen Effekt nennt man in der Psychologie "Framing" (etwa: "Einrahmen"). Mit dieser kleinen Gemeinheit wollte ich uns (auch mich selbst) daran erinnern, stets das eigene Denken kritisch zu checken und zu prüfen, ob man unbewusste Annahmen über das macht, was man sieht, hört oder liest.

Also, ein Kirchenfußboden ist das hier nicht, auch wenn diese Stelle traditionell so heißt, da sie in Größe und Form tatsächlich an das Fundament eines kleinen Steingebäudes erinnert und die Oberfläche wie gepflastert aussieht. Am Rande der Plattform sieht man jedoch, dass es keine Platten sind, sondern aufrecht stehende Säulen.

Basaltsäulen am Kirkjugárd; eine Struktur aus mehreckigen Formen, die an eine Pflasterung erinnert; (c) Stephan Matthiesen 2011

Basaltsäulen am Kirkjugárd; eine Struktur aus mehreckigen Formen, die an eine Pflasterung erinnert; (c) Stephan Matthiesen 2011

Solche Basaltsäulen sind in vulkanischen Formationen durchaus häufig, und ein paarmal hatten wir sie auch schon vorgestellt, zuletzt mit einem Bild vom Mittelrhein bei der Ankündigung der Verschnaufpause 2019.

Hier ist eine andere Stelle auf Island, Dverghamrar (Zwergenklippen) genannt, mit sehr schön ausgeprägten Basaltsäulen, die erheblich größer sind.

Basaltsäulen, etwa einen Meter im Durchmesser und 5 Meter hoch, mit Person als Größenvergleich am Dverghamrar auf Island; (c) Stephan Matthiesen 2011

Die Basaltsäulen von Dverghamrar aus etwas Entfernung; (c) Stephan Matthiesen 2011

Dverghamrar auf Island: Ein etwa 50 Meter breiter, 10 Meter hoher Block aus Basalt mit einer Schicht aus Säulen, darüber eine chaotisch wirkende Gesteinsschicht; (c) Stephan Matthiesen 2011

Auffällig sind hier die beiden Schichten: Unten eine Schicht von geordneten, senkrechten Säulen und darüber ein ziemliches Durcheinander ohne erkennbare Ordnung. Dazu später mehr.

Der Kirkjugólf könnte irgendwann ähnlich (wenn auch wesentlich kleiner) ausgesehen haben wie diese Zwergenklippen: ein aus der Ebene ragender Block. Doch dann wurde der oberirdische Teil von einem Gletscher bis auf das Niveau der Umgebung abgeschliffen, sodass wir nur noch die glatt polierten Oberseiten der Säulen sehen, die sich nach unten hin unterirdisch fortsetzen dürften.

Wie entstehen solche markanten Säulen? Sie bestehen aus Basalt, einem dunklen, feinkörnigen vulkanischen Gestein, das letztlich erstarrte Lava ist. Wenn ein größerer Lavablock bzw. eine Lavaschicht, oft noch unter der Erde, erstarrt, ist er zunächst noch etwa 1000 °C heiß (flüssige Lava von basaltischen Vulkanen hat um 1200 °C) und kühlt dann langsam von der Oberfläche her ab. Wie die meisten Materialien zieht sich Basalt beim Abkühlen zusammen; an der Oberfläche eines größeren Basaltkörpers entstehen daher Schrumpfungsrisse, wenn der Körper zu groß ist, um sich als Ganzes gleichmäßig zusammenzuziehen.

Diese Schrumpfungsrisse ähneln zunächst den Trocknungsrissen, die man oft auf Lehmböden sieht (wobei die Schrumpfung hier durch Austrocknen, nicht durch Abkühlen, geschieht); solche Trocknungsrisse hatten wir auch schon vorgestellt, etwa beim Schlick (Muster des Monats, 09/2015). Der Basaltkörper kühlt also von der Oberfläche her ab und die Risse an der Oberfläche setzen sich langsam immer weiter in die Tiefe fort, sodass er letztlich in säulenartige Stücke geteilt wird. Die Säulen haben alle ungefähr die gleiche Dicke, weil in einer zu dicken Säule die Zugspannungen durch das ungleichmäßige Abkühlen zu stark werden, sodass sie sich in kleinere teilt. Wie dick die Säulen im Einzelfall jedoch sind, hängt von der Zusammensetzung des Basalts, der Größe des Basaltkörpers und der Geschwindigkeit des Abkühlens ab; wie wir an den beiden Beispielen des Kirchenbodens und der Zwergenklippen sehen, kann das ganz unterschiedlich sein.

Der Vorgang ist in drei Dimensionen ein bisschen schwer vorstellbar, man kann den Prozess aber selbst mithilfe von etwas Maisstärke zu Hause nachvollziehen, die in der heimischen Küche etwas leichter zu handhaben ist als einige hundert Tonnen von 1000 °C heißer Lava. Im Beitrag Pentagone und Hexagone: Das Muster des Monats 12/2009 haben wir das gemacht und Bilder gezeigt, wie die resultierenden "Maisstärkesäulen" in drei Dimensionen aussehen.

Bei den Zwergenklippen hatte ich noch auf die zwei verschiedenen Schichten hingewiesen: die untere, geordnete Säulenschicht und eine darüber liegende "Durcheinanderschicht". Leider habe ich das damals nicht im Detail untersucht (was im Gelände auch nicht immer möglich ist), aber ich vermute, dass die Entstehung des ganzen Blocks in mehreren Stufen erfolgte. Zunächst wurde eine dicke Lavaschicht abgelagert, in der sich die Säulen bildeten. Dann wurde sie, wohl durch Gletscher, an der Oberseite glatt abgeschliffen. Später deponierte ein weiterer Ausbruch einen Lavastrom auf der Oberfläche, der die kompaktere, chaotischere obere Basaltschicht bildete. Schließlich wurde die Umgebung wohl durch Gletscher oder das Schmelzwasser von Gletschern erodiert, sodass der ganze Block jetzt isoliert steht und die Säulen der unteren Schicht schön freigelegt wurden.

Übrigens heißt der Ort, in dem der Kirkjugólf liegt, Kirkjubæjarklaustur in der Gemeinde Skaftárhreppur und ich bin gerade froh, dass wir keinen Podcast machen, bei dem ich das aussprechen müsste.