Was habe ich da auf Elba fotografiert? Verfallene dorische Säulen mit leicht misslungener Kannelierung?
Säulen gab es am Anfang der Wanderung durchaus zu sehen - vor dem Demidoff-Palast, unterhalb der Villa San Martino:
Auf dem Weg vom Parkplatz zum Tor wird auch dem historisch Unbeleckten sehr schnell deutlich, wer hier einst residierte:
Napoleons Gemächer lockten uns aber nicht. Stattdessen sind wir durch die Wälder hinter der Villa gewandert. Manche Bäume hier werfen hin und wieder ihre zu eng gewordene Kleidung ab. Andere hängen an ihrer Hülle:
Uns interessiert der rechte Baum, der mit der wulstigen Borke. Hier ein Detail vom Fuß eines anderen Exemplars:
Die Blätter und die enorm dicke Borke verraten es: Hier stehen Korkeichen. Während der Kork an den Stämmen und dicksten Ästen ihrer Verwandten in Portugal systematisch alle neun Jahre geerntet wird, wächst die Borke hier ungehindert vor sich hin, bis sie parallel zum Stammverlauf aufplatzt und sich manchmal auch zu bizarren Skulpturen verformt:
Borke ist totes Material; es schadet den Bäumen nicht, wenn sie Risse bekommt. Für die Baumgesundheit entscheidend ist eine schmale Wachstumsschicht zwischen Borke und Holz: das Kambium, das sowohl nach außen als auch nach innen neue Zellen absondert, die nach einer Weile absterben. Nach einigen Jahren lösen sich die Korkplatten ab.
An diesem mächtigen Stamm sieht man sogar zwei Generationen von Platten; die äußere ist vorne schon ganz verschwunden, und darunter lugt eine etwas jüngere, ebenfalls schon recht dicke und rissige Schicht hervor. In der Mitte lugt dagegen nacktes, abgestorbenes und schon von Insekten durchlöchertes Holz hervor:
Kork ist sehr robust, aber auf die Dauer setzen die Witterung und Mikroorganismen dem Material doch zu, sodass es sich verzieht, verfärbt und Löcher bekommt:
Man erkennt auch Jahresringe - die vermeintliche Säulen-Kannelierung in unserem Rätselbild. Hier noch einmal eine ordentlich dicke Korkschicht; daraus hätte man eine Menge Weinkorken stanzen können:
Und genau dazu wurden die Korkeichen hier vermutlich einmal angepflanzt. Wozu aber bilden diese Bäume überhaupt eine so dicke und markante Borke aus? Welchen Anpassungswert hat diese leichte Rüstung? Ein Bild von einer anderen Wanderung auf Elba gibt uns die Antwort:
In der westlichen Mittelmeerregion, der Heimat der Korkeiche, brennt es oft. So auch hier am Monte San Bartolomeo, oberhalb von Chiessi. Nicht jeder Busch- oder Waldbrand kostet die Bäume gleich das Leben, aber viele schwächeln doch, weil ihr Kambium beschädigt wurde und sie daher nicht mehr normal wachsen und nicht mehr genug Nährstoffe durch den Stamm transportieren können. Kork ist ein natürlicher Hartschaum und dämmt hervorragend. Die Rüstung schützt die Eichen also vor Brandschäden.
Wer mehr über die Korkernte und -verarbeitung in Portugal erfahren will, dem lege ich eine herrlich altmodische Dokumentation von NZZ Format ans Herz: Die Kork-Story.