Muster des Monats 12/2014; (c) Stephan Matthiesen

Na, was ist das?

Hier noch einmal in anderer Beleuchtung:

Muster des Monats 12/2014; (c) Stephan Matthiesen

Immer noch nicht? Das erste Bild ist ein Ausschnitt des folgenden Bildes:

Muster des Monats 12/2014; (c) Stephan Matthiesen

Gehen wir einen weiteren Schritt zurück, dann sehen wir zumindest mal, worauf sich dieses Muster gebildet hat:

Muster des Monats 12/2014; (c) Stephan Matthiesen

Es war ein kalter Abend im November, und auf der Glasplatte meines Gartentisches hatte sich Tau gebildet. Das Muster sind also die Tropfen auf der Platte - leider sind durchsichtige Wassertropfen auf einer durchsichtigen Glasplatte in einem dunklen Garten nicht das einfachste Fotomotiv, aber hier sieht man die Tropfen von der Seite vielleicht ein bisschen besser:

Muster des Monats 12/2014; (c) Stephan Matthiesen

Wassertropfen auf Glas sind ein komplexes Phänomen. Wasser hat eine Oberflächenspannung, die dazu führt, dass die Oberfläche eines Tropfens möglichst klein wird. Frei fallende Tropfen (etwa Regentropfen) sind daher kugelförmig, da dann die Oberfläche bei gegebenem Volumen am geringsten ist. Andererseits ist Glas eine hydrophile ("wasserliebende") Oberfläche, d. h. es wirken molekulare Kräfte so, dass Wasser die Neigung hat, die Oberfläche zu benetzen und nicht abzuperlen. Diese beiden Effekte wirken hier gegeneinander: Das Wasser benetzt zwar das Glas, bildet aber wegen der Oberflächenspannung keine kontinuierliche Wasserschicht, sondern kuppelförmige Tropfen. Sie sind ungefähr gleich groß, weil bei dieser Größe die beiden Effekte gerade im Gleichgewicht stehen - kleinere Tröpfchen würden sich mit anderen vereinen, größere Tropfen würden sich teilen.

Auf meinem Tisch kommt noch mehr dazu: Das Glas war nicht sauber, sondern etwas staubig - tagsüber war es trocken gewesen. Staub kann jedoch hydrophob sein, also wasserabweisend - die Tropfen würden abperlen. Teilweise löst sich der Staub aber im Wasser, sodass also das Glas mal mehr, mal weniger hydrophil ist. Während auf einer perfekt sauberen Glasplatte die Tröpfchen in der Aufsicht ziemlich runde Kuppelchen bilden würden, ist ihr Umriss hier dank dieses Schmutzeffektes ziemlich unregelmäßig.

Auf den Fotos sieht man zudem an den Rändern der Tropfen noch runde bis fächerförmige dunkle Felder, die in das helle Innere der Tropfen hineinzuragen scheinen. Sie sind ein optischer Effekt: An diesen Stellen sind die Tropfen ein wenig "eingedellt", sodass sich das Licht bricht.

So weit das Grundmuster. Aber dann sind da auch noch lange lineare Strukturen, die sich über den Tisch ziehen:

Muster des Monats 12/2014; (c) Stephan Matthiesen

Schaut man genauer hin, dann werden sie überwiegend durch einen kontinuierlichen Wasserfilm gebildet:

Muster des Monats 12/2014; (c) Stephan Matthiesen

Das Glas ist dasselbe. Was ist also hier mit der Oberflächenspannung des Wassers passiert, dass es sich nicht zu Tröpfchen zusammenzieht? Nun, wenn in meinem Garten etwas Ungewöhnliches zu sehen ist, waren es meistens diese possierlichen Gesellen:

Schnecke auf Tisch; (c) Stephan Matthiesen

Richtig, Schneckenschleim enthält Substanzen, die die Oberflächenspannung des Wassers verringern - deshalb kann der Schleim eben auch Oberflächen besser benetzen. Wo eine Schnecke unterwegs war, genügen die Schleimreste, um das Tropfenmuster zu zerstören. Frische Schleimspuren sind dicker, ältere werden immer dünner:

Schnecke auf Tisch; (c) Stephan Matthiesen

Denselben Effekt haben übrigens Waschmittel oder Geschirrspülmittel: Ihre wichtigsten Inhaltsstoffe sind so genannte Tenside (von lat. tendere = spannen), die die Oberflächenspannung verringern, damit das Geschirr schön benetzt wird. Hätte ich den Tisch mit etwas Geschirrspülmittel besprüht, wäre das Tropfenmuster ebenfalls bald verschwunden.