Das ist keine wehmütige Erinnerung an den letzten Frühling oder Frühsommer, sondern ein aktuelles Foto - geschossen am 23. Januar im Theodor-Heuss-Park in Köln. Was ist bloß in diesen Ilex gefahren? Wieso fängt er mitten im Winter an zu blühen?

Nur zur Erinnerung: So sieht ein Ilex im Winter normalerweise aus - auch hier in Köln, nur wenige Straßenzüge weiter:

Die Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium) ist der "Baum des Jahres 2021" und folgt damit auf die Robinie oder Scheinakazie, jenen auch in Köln weit verbreiteten, rasch wachsenden Straßenbaum, der eigentlich nicht zur heimischen Flora gehört, sich leicht ausbreitet und daher in einigen Städten mühsam wieder dezimiert wird.

Die Europäische Stechpalme ist dagegen, wie der Name schon andeutet, durchaus bei uns zu Hause. Sie verträgt Trockenheit und verrauchte Luft und ist einigermaßen frosthart. Im Zuge des Klimawandels dehnt sie ihr Verbreitungsgebiet seit einigen Jahrzehnten immer weiter nach Skandinavien hinein aus. Im Theodor-Heuss-Park ist sie aber wohl von Gärtnern neben den alten Ahorn gepflanzt worden:

Die verwirrte männliche Blüte ist an den Zweigen am Fuß des linken Stämmchens zu finden. Warum sich die Blütenknospen hier schon so weit entwickelt haben und in diesen Tagen öffnen, ist unklar. Normalerweise blüht der Ilex im Mai und Anfang Juni. Vielleicht verläuft hier eine wärmende unterirdische Wasserleitung oder ein Abwasserkanal, der das Mikroklima beeinflusst und die Phänologie durcheinander bringt? Schließlich liegt im Theodor-Heuss-Park auch der Eingang zum sogenannten Kronleuchtersaal der Kölner Kanalisation.

Blickt man nach oben, sieht man jedenfalls noch keine Blüten. Dafür erkennt man gut, wie vielgestaltig die Blätter sind. Hier überwiegen noch die charakteristischen, alternierend nach oben und nach unten gekrümmten Blattstacheln - wobei der Blattrand zum Stiel hin oftmals glatt ist: 

An anderen Zweigen sind die Blätter fast glattrandig:

Der reinen Lehre nach lässt die Zahl der Blattstacheln mit der Entfernung vom Boden nach, denn weit oben muss sich der Ilex nicht mehr gegen Ziegen und andere Fressfeinde wehren. Einen strikten Gradienten - viele Stacheln in Bodennähe, einige in der Mitte, keine oben in der Krone - habe ich zwar noch nie gesehen, aber die Tendenz stimmt. Allerdings gibt es viele Zuchtsorten, deren Blätter sich von der Wildform unterscheiden.

So sehr die innere Uhr dieses Ilex auch vorgeht, er ist nicht allein mit seinen ersten Blüten. Vielerorts im Park schwellen die Knospen, und man kann schon den einen oder anderen Farbtupfer entdecken. Dazu mehr in einem der nächsten Artikel.