Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Nichts ist in Zeiten der Ausgangssperre und des Reiseverbots erbaulicher, als alte Bilder von Naturphänomenen durchzusehen ... Dies ist der Geysir Strokkur auf Island, der etwa alle 10 Minuten in einer bis zu etwa 25 Meter hohen Wassersäule ausbricht. Wie kommt das zustande?

Um einen Eindruck des Ablaufs zu haben, ist hier ein kurzes Video, das ich im August 2011 aufgenommen habe. (Achtung: Im Hintergrund stößt jemand einen lauten Freudenschrei aus; wer es im Büro anguckt, sollte besser den Ton abschalten.)

Das geht also alles recht schnell und ist nach wenigen Sekunden vorbei.

Der Geysir liegt auf einer Ebene von Sinterablagerungen (also Krusten aus Kalk und anderen Mineralen, die sich aus dem Wasser heraus abgelagert haben). Zwischen den Ausbrüchen sieht er wie ein eher unscheinbarer Tümpel mit etwas merkwürdigen ringförmigen Wällen aus Sinter aus.

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Anscheinend erinnerte das Aussehen irgendwie an ein Butterfass, was zu dem isländischen Namen Strokkur ("Butterfass") führte. Dass das Wasser sehr heiß ist, erkennt man an der zarten Dampfwolke. Es roch auch etwas nach Schwefelwasserstoff (wie faule Eier), wie übrigens so ziemlich jedes Wasser auf Island, auch das der Hotelduschen.

Beim Ausbruch wölbt sich zunächst die Wasseroberfläche für einen Sekundenbruchteil kuppelförmig nach oben, und man sieht von unten einen Schwarm heller Luftblasen aufsteigen, die das Wasser in die Höhe treiben. Die folgenden Bilder wurden im Abstand von je etwa einer Sekunde aufgenommen:

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Wenige Sekunden später hat sich der Dampf verzogen, und man sieht, dass der Wasserstand beim Ausbruch um etwa einen Meter gefallen ist, aber sofort neues Wasser nachströmt. Die folgenden Bilder sind im Abstand von 7-8 Sekunden aufgenommen:

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Aus einem anderen Winkel bei einem anderen Ausbruch sieht man auch sehr schön, wie das Wasser der Umgebung ringförmig zur Seite gedrückt wird und mehrere Bugwellen bildet:

Geysir Strokkur; (c) Stephan Matthiesen 2011

Wie entstehen diese Ausbrüche? Es ist eine Thermalquelle, in der das einsickernde Wasser durch den heißen Boden zum Kochen gebracht wird. In vielen anderen Thermalquellen blubbert und sprudelt das Wasser aber nur wie in einem Kochtopf, ohne so plötzlich in einer Fontäne auszubrechen. Nur unter relativ seltenen Bedingungen entsteht ein Geysir. Was hier passiert, nennt man überhitztes Kochen. Dabei muss ein Reservoir in der Tiefe vorhanden sein, in dem das Wasser unter Druck steht; beim Strokkur befindet es sich in etwa 80 Metern Tiefe. Unter hohem Druck kann man das Wasser deutlich über 100°C (den Siedepunkt bei Normaldruck) erhitzen, ohne dass es kocht; dies beruht letztlich darauf, dass der Druck die Bildung von Blasen aus Wasserdampf verhindert. Dieses Prinzip nutzt man nicht nur beim heimischen Dampfdruck-Kochtopf, um höhere Kochtemperaturen zu erreichen, sondern auch etwa in Kraftwerken, wo eine höhere Dampftemperatur den Wirkungsgrad erhöht.

Irgendwann wird das überhitzte Wasser aber so heiß, dass doch Blasen entstehen, die sich ausdehnen und etwas Wasser an der Oberfläche herausdrücken - in diesem ersten Stadium wölbt sich die Wasseroberfläche auf, klar in den obigen Bildern erkennbar. Da Wasser zur Seite fließt, lastet auf dem Wasser in der Tiefe weniger Druck, und es kocht leichter, sodass mehr Dampfblasen entstehen. Zudem steigen Dampfblasen nach oben und dehnen sich dabei rapide aus. Der Effekt verstärkt sich im Sinne einer Rückkopplung selbst: Der expandierende Dampf reduziert den Wasserdruck in der Tiefe, wodurch das überhitzte Wasser leichter kocht und immer mehr Dampf erzeugt. Es kommt zum explosiven Verdampfen, das die eindrucksvolle Fontäne aus dem Eruptionskanal treibt.

Wichtig ist zudem eine Verengung irgendwo über dem Reservoir, die verhindert, dass die Dampfblasen einzeln und zu schnell an die Oberfläche aufsteigen und dort platzen, ohne dabei viel Wasser zu verdrängen. An der Verengung stauen sich die Dampfblasen an und drängen dabei das darüber liegende Wasser nach oben und aus dem Eruptionskanal heraus, was den Druck senkt.

Nach dem Ausbruch ist der aufgestaute Dampf erst einmal weg, und das ausgestoßene Wasser wird durch Sickerwasser aus der Umgebung ersetzt. Es dauert eine Weile, bis dieses kühlere Wasser wieder heiß genug ist und der nächste Ausbruch stattfindet.

Die Bedeutung der Engstelle hat bestimmt jeder schon im Alltag erlebt. Cola, Bier oder ein anderes kohlensäurehaltiges Getränk im Glas sprudelt ein wenig, weil das im Wasser gelöste Kohlendioxid ausgast und Blasen bildet, die an die Oberfläche steigen. Aber wehe, man öffnet eine geschüttelte Flasche - die Blasen stauen sich im Flaschenhals und treiben eine Fontäne in die Höhe. (Das Schütteln erzeugt ein paar Blasen als "Keime", die schneller wachsen, als wenn sie erst spontan in der Flüssigkeit selbst entstehen müssen.)

Anderes Beispiel: Als ich vor einigen Jahren nach einer Reise noch einige Vitamin-Brausetabletten übrig hatte, hatte ich die Idee, sie noch schnell vor dem Heimflug aufzubrauchen. Also alle in meine Wasserflasche gekippt, ohne an den Flaschenhalseffekt zu denken. Die Fontäne in der Abflughalle des Flughafens Oslo war bestimmt 3 oder 4 Meter hoch, aber ich konnte mich noch schnell mit unschuldiger Miene verziehen, bevor die Sicherheitsleute gecheckt hatten, was los war.

Eine andere Flüssigkeit, die gerne überkocht, ist Milch. Das ist ein ähnlicher Effekt, es ist aber keine Engstelle nötig, da die Dampfblasen das Fett in der Milch aufschäumen; sie steigen einfach aufgrund der Eigenschaft der Milch nicht auf, sondern dehnen sich an Ort und Stelle aus und treiben so die Flüssigkeit hoch.

Nur 100 Meter entfernt vom Strokkur ("Butterfass") entfernt liegt der Geysir Geysir ("Sprudelnder, Spritzender"), der diesem ganzen Phänomen seinen Namen gab. Er wurde im 13. Jahrhundert erstmals beschrieben und erreichte Ausbruchshöhen bis 170 Metern, wurde aber ab 1915 im Wesentlichen inaktiv - wohl ein Hinweis, dass für Ausbrüche die Bedingungen genau stimmen müssen und schon kleine Veränderungen das System stören. Dafür sieht man hier aber die Sinterterrassen sehr schön:

Geysir; (c) Stephan Matthiesen 2011

Geysir; (c) Stephan Matthiesen 2011