Was fällt auf an dieser Parade hübscher Beine und Schnäbel? Was verraten uns diese Merkmale über die Lachmöwen, die sich hier auf einem Geländer am Rhein versammelt haben?

Bei manchen Möwen wie den Silbermöwen mit ihren fleischfarbenen Beinen gibt der genaue Farbton Auskunft über die Herkunft der Tiere: Im Baltikum haben sie gelbliche Beine. Bei den Lachmöwen zeigt die Beinfarbe, die genau mit der Schnabelfarbe korrespondiert, dagegen das Alter an: Adulte, also geschlechtsreife Tiere haben rosa- bis sattrote, Jungtiere gelborange bis orangerote Beine.

Es gibt noch ein weiteres Alterskennzeichen, das im Herbst und Winter aber schwächer ausgeprägt ist: die Gesichtsmaske. Im Foto oben haben das dritte und das fünfte Tier von links rote Beine und Schnäbel - und graue Streifen über und hinter den Augen. Zur Fortpflanzungszeit ist der ganze Kopf dunkelgrau bis schwarz gefärbt. Nur ausgewachsene, fortpflanzungsfähige Tiere dürfen in die Brutkolonien hinein; Jungtiere mit zu hellen Köpfen müssen draußen bleiben.

Hier ganz vorn ein solches halbwüchsiges Exemplar aus der Nähe. Im Winter ist der Unterschied dezent, aber man sieht doch, dass die grauen Streifen nur schwach angedeutet sind:

Wenden wir uns den Füßen zu: Auch auf einem im Querschnitt runden Geländer können sich die Lachmöwen halten, selbst bei Wind. Und das, obwohl sie sich an der Stange nicht festklammern können, denn sie haben, anders als zum Beispiel Singvögel, keine opponierbare große Zehe. Überhaupt sind nur drei Zehen voll ausgebildet - und mit Schwimmhäuten verbunden:

Die vierte Zehe ist verkümmert: ein funktionsloser, nach hinten gerichteter Sporn. Der Grad der Rückbildung unterscheidet sich zwischen den Möwenarten. Bei den Dreizehenmöwen besagt schon der Artname, dass von dem Sporn praktisch nichts mehr zu sehen ist. 

Und so müssen sich Möwen ausschließlich mit der Standfläche ihrer drei mit der Schwimmhaut verbundenen Zehen und ihrem guten Gleichgewichtssinn aufrecht halten - sogar auf dieser Ankerkette:

Bei vielen anderen Vögeln ist die vierte Zehe dagegen voll ausgeprägt und wichtig. So klammert sich dieser Halsbandsittich geschickt an einem Loch im Putz unseres Nachbarhauses fest:

Oft hängen diese Sittiche kopfüber an der Regenrinne, oder sie essen sehr manierlich Platanen-Knospen, indem sie sie mit den Zehen greifen und zum Schnabel führen.

Auch diese Sperlinge klammern sich dank einer nach hinten gerichteten Zehe an der Futterröhre fest - beziehungsweise am Rücken des Futterkonkurrenten:

Und diese Krähe - wieder am Rhein in Köln - greift nach einem Stück Eis, mit dem sie ausgiebig spielt. Drei Zehen sind nach vorne gerichtet, eine nach hinten:

Am Rhein haben sich sowohl Krähen als auch Möwen im Herbst an den Muscheln bedient, die das anhaltende, ausgeprägte Niedrigwasser zugänglich gemacht hat. Dabei hat jede Art ihr Revier: Die Krähen hocken auf dem Ufer (das bei normalem Wasserstand weit unter der Wasseroberfläche läge); die Möwen versuchen ihr Glück weiter rechts:

Hier kommen endlich die an Land so unpraktischen Schwimmhäute zum Einsatz. Die Lachmöwen nehmen "Anlauf", indem sie sich von der Wasseroberfläche ein wenig in die Luft erheben und dann zum Sturzflug ansetzen:

Beim Eintauchen treten sie das Wasser nach hinten (also oben) weg, um den Schub zu erhöhen:

Schließlich legen sie die Flügel an und nähern sich fast senkrecht dem Grund - nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche, denn gute Taucher sind sie nicht:

Im Flug hingegen werden die Beine nach hinten gerichtet und die Zehen zusammengelegt, um den Luftwiderstand zu minimieren:

Hier noch ein Möwenfuß aus der Nähe - vielleicht von einer Silbermöwe. Das Bein ist fleischfarben,die vierte Zehe noch erkennbar und bekrallt. Die Schwimmhaut reicht bis fast an die drei vorderen Krallen und wirkt robust:

Zum ausführlichen Bestimmen war mir der Zerfall dieses Kadavers an der Nordseeküste schon zu weit fortgeschritten. Ich ahne auch, dass nicht jede Leserin und jeder Leser meine Faszination für Details wie die freigelegte Speiseröhre teilt, die mich sehr an einen Staubsaugerschlauch erinnert hat.

Frohes neues Jahr!