Muster des Monats 6/2014; (c) Stephan Matthiesen

Diesmal ist das Muster des Monats ein etwas verstaubtes Museumsmotiv:

Kalkachsenkoralle; (c) Stephan Matthiesen

Es ist das Gerüst einer Weichkoralle der Art Suberogorgia verriculata aus Singapur im Naturhistorischen Museum in Wien. Korallen sind koloniebildende Nesseltiere; an den Armen dieses Gerüsts sitzen die Einzeltiere (Polypen), die Nahrung aus dem vorbeiströmenden Wasser filtern. Die Suberogorgiden gehören, wie einige weitere nicht näher mit ihnen verwandte Gattungen, zu den Kalkachsenkorallen – ihr Gerüst, das aus Weichgewebe gebildet wird, enthält zusammengewachsene Kalknadeln (Sklerite), sodass es nach dem Tod erhalten bleibt.

Es lohnt sich, die Wuchsform einen Moment lang näher anzuschauen. Auf den ersten Blick ähnelt sie den typischen Verzweigungsstrukturen von Pflanzen, etwa Bäumen oder Büschen, nur dass sie flach und fächerförmig statt buschig ist. Allerdings gilt dies bei näherem Hinsehen nur für die wenigen dickeren "Stämme". Die feineren Äste verzweigen sich nicht nur immer weiter, sondern treffen auch wieder aufeinander und sind zusammengewachsen, bilden also eher ein Netz als ein Verzweigungsmuster:

Kalkachsenkoralle; (c) Stephan Matthiesen

Ein Grund für diesen Unterschied ist, dass bei Pflanzen die Sprossspitzen wachsen, wobei die Verzweigung durch Seitensprosse entsteht, während Korallen wachsen, indem sich die Einzeltiere im Prinzip überall auf der Kolonie durch Knospung vermehren.

Ein zweiter struktureller Unterschied zwischen dieser Koralle und einem Baum ist, dass die Baumzweige zum Stamm hin immer dicker werden, während die Zweige der Koralle praktisch alle ungefähr gleich dick sind. Bei einem Baum ist dies aus zwei Gründen nötig. Erstens erfordert dies die Statik, da Zweige, Äste und schließlich der Stamm zunehmend mehr Gewicht tragen müssen, während die Koralle den Auftrieb im Wasser nutzen kann. Zweitens müssen der Stamm und die Äste eines Baumes Wasser und Nährstoffe aus dem Boden zu den Blättern transportieren, sie müssen also genügend viele Leitgefäße enthalten. Bei Korallen dagegen filtert jeder Einzelpolyp seine Nahrung direkt aus dem Wasser, und das Gerüst hat keine Transportfunktion.