Muster- und Strukturenratebild, März 2013

Muster des Monats 03/2013; (c) Stephan Matthiesen

(Zur Erklärung bitte weiterlesen)

Astronomiefans denken jetzt vielleicht an ein Satellitenbild von Strukturen auf einem Planeten oder Jupiter- oder Saturnmond. Die Bilder habe ich aber selbst gemacht, und bisher habe ich noch nicht die Zeit gefunden, einen Ausflug zum Jupiter zu organisieren. Wir bleiben also auf der Erde, nehmen aber etwas mehr Abstand:

Muster des Monats 03/2013; (c) Stephan Matthiesen

Und noch etwas mehr Abstand:

Flechten auf Stein; (c) Stephan Matthiesen

Jetzt wird es schon klarer, oben rechts wächst ja auch was, nämlich Moos. Drumherum wächst noch mehr:

Flechten auf Stein; (c) Stephan Matthiesen

Es handelt sich also um einen Gesteinsbrocken am Wegrand, entdeckt bei einer Wanderung im Mai letzten Jahres in der Nähe von Loch Lomond in Schottland (wie man am Weg und an den spiegelnden Stellen im ersten Bild sieht, hat es permanent geregnet). Seine Oberfläche ist von einem Mosaik weißlich-oranger Krustenflechten bewachsen, hier mit einer Münze als Größenvergleich:

Flechten auf Stein; (c) Stephan Matthiesen

Interessiert hat mich vor allem das System von schwarzen Linien, das die Oberfläche in viele einzelne,unregelmäßig geformte Flächen unterteilt und dem Ganzen fast den Eindruck einer Landkarte gibt:

Flechten auf Stein; (c) Stephan Matthiesen

Wo kommen diese schwarzen Linien her? Man könnte zunächst denken, dass es sich vielleicht um Risse in der Gesteinsoberfläche oder auch nur in der Flechtenkruste handelt. Nun, Risse im Gestein sind es nicht, denn im nächsten Bild erkennt man, dass sie am Rande des Flechtenbewuchses aufhören und sich nicht im Gestein fortsetzen. Zudem sind Risse meist eher geradlinig und nicht so stark gewunden wie diese Linien. Die Linien haben vielmehr mit dem Wachstum der Flechten zu tun. Hier sieht man eine einfachere Situation:

Flechten auf Stein; (c) Stephan Matthiesen

Die Fläche in der Mitte des Bildes bis zur schwarzen Linie bildet einen Vegetationskörper, die kleinere (vorwiegend orange gefärbte) Fläche darunter einen zweiten Körper, die schwarze Linie ist die Grenze zwischen ihnen. Flechten sind symbiotische Organismen zwischen einem Pilz und einzelligen Algen, wobei der Pilz durch ein Geflecht von Pilzfäden die krustenartige Form des Vegetationskörpers bildet. Ihr Wachstum beginnt mit einer Spore, die sich auf der Oberfläche des Steins ansiedelt.

Der größere Vegetationskörper in diesem Bild wuchs in alle Richtungen aus einer Spore, die wohl ziemlich genau in der Bildmitte saß. Irgendwann stieß er auf den zweiten Vegetationskörper, der von einer anderen Spore in der unteren Bildhälfte ausgegangen war. Wo sie aufeinanderstoßen, konnten sie nicht weiter wachsen, aber an dieser Grenze bilden sich Fruchtkörper (in denen neue Sporen entstehen); sie sind schwarz und machen so die Grenze deutlich sichtbar. Man erkennt außerdem viele schwarze Punkte im Zentrum des Vegetationskörpers, auch dies sind Fruchtkörper.

Das Netz von schwarzen Linien zeigt also die Grenzen zwischen individuellen Vegetationskörpern an, wo diese beim Wachstum aufeinandergestoßen sind und sich jeweils schwarze Fruchtkörper bilden. Leider bin ich kein Flechtenexperte und kann diese Flechte nicht sicher zuordnen. Ein solche Linienstruktur, die sehr an eine Landkarte erinnert, hat jedoch der so genannten Landkartenflechte ihren Namen gegeben. Ich habe im Internet zwar bei einer Suche nach "Landkartenflechte" (bzw. dem Englischen "map lichen") einzelne Bilder gefunden, die den obigen ähneln, aber zur richtigen Klassifizierung reicht das nicht. Falls eine Leserin oder ein Leser mehr darüber weiß, freue ich mich sehr über einen Kommentar!