niedriges Blätterdach aus Bergahorn-Blättern, (c) Andrea Kamphuis

Eingekeilt zwischen dem Decksteiner Weiher im Grüngürtel und der A4 liegt im Kölner Westen ein Tortenstück der besonderen Art: ein 25 Hektar großes, dreieckiges Grundstück, auf dem seit 2010 erforscht wird, wie bestimmte Baumarten mit dem Klimawandel zurechtkommen und ob man Bäume nachhaltig zur Energiegewinnung nutzen kann.  

Kartenausschnitt der Open Streetmap mit der Lage des Waldlabors

Konzipiert hat dieses "Waldlabor" der Leiter der städtischen Forstverwaltung, Markus Bouwman. Anfang des Monats hat er gut 20 Interessierte durch das Areal geführt. Eine Stunde sollte es dauert; es wurden mehr als zwei - so viel gab es zu berichten und zu erfragen.

vorne ausgeblühtes hohes Gras, dahinter Nadelbäume und Birken; rechts Markus Bouwman; (c) Andrea Kamphuis

Das Gelände ist frei zugänglich; ein Weg schlängelt sich durch alle vier Zonen, "Themenfelder" genannt: den Wandelwald, den Energiewald, den Klimawald und den Wildniswald. Was es mit diesen Bereichen auf sich hat, wird auf einer großen Infotafel am Startpunkt erläutert. Hier sind auch die Hauptsponsoren des Projekts vermerkt. Toyota hat seinen Geschäftssitz unmittelbar westlich vom Waldlabor, hinter der Autobahn. 

große Infotafel am Anfang des Wegs durch das Waldlabor: links ein Grundriss, rechts Text; (c) Andrea Kamphuis

Weitere Infotafeln am Weg stellen die Zonen und die dort wachsenden Baumarten vor. Eingebettet in ein "Meer" aus schnell wachsenden Bäumen zur Energiegewinnung, etwa Pappeln, gibt es sechs Inseln mit potenziellen "Zukunftsbäumen", die besonders hitze- und trockenresistent sein müssen. In jedem der Quadrate wächst nur eine Art: Walnuss, Mehlbeere, Blauglockenbaum, Elsbeere, Flaumeiche und Küstentanne.

Hier etwa das Laub der Elsbeere, deren extrem hartes Holz gute Preise erzielen kann und unter anderem zum Bau von Musikinstrumenten verwendet wird:

Von der Sonne beschienene, gezackte Blätter eines Baums, dahinter blauer Himmel; (c) Andrea Kamphuis

Die im 17. Jahrhundert nach Europa eingeführte, aus Nordamerika stammende Gewöhnliche Robinie wird andernorts in Köln durch Ringeln gezielt zum Absterben gebracht, damit sie die wuchsschwächeren einheimischen Gehölze nicht verdrängt. Hier aber wird sie rings um die Klimawald-Arten im Energiewald angebaut, um ihre Klimawandel-Resilienz zu beobachten. Sie wächst rasch und eignet sich daher zur Gewinnung von Brennholz: 

Nahaufnahme von rotbraunen Robinien-Dornen und grünen, ovalen Fiederblättchen; (c) Andrea Kamphuis

Die Echte Mehlbeere trägt derzeit Früchte, die aber noch unreif sind. Wie der Name andeutet, wurden sie früher zum Strecken von Getreidemehl verwendet. Das Bäumchen wird nur etwa 10 Meter hoch und eignet sich daher auch für Gärten und Parks. Auch diese Art ist trockenresistent und wird uns daher vielleicht in Zukunft häufiger begegnen:

Krone eines Baums mit kleinen gelben Früchten, (c) Andrea Kamphuis

Wie schon das Beispiel der Robinie gezeigt hat, werden im Waldlabor nicht nur einheimische Baumarten angebaut. Der Blauglockenbaum stammt aus China, wird aber schon seit Jahrzehnten in Kölner Wäldern und Parks gepflanzt. Seine riesigen Blätter beschatten das Unterholz, seine violetten Blüten und die schellenförmigen Früchte sind hübsch anzusehen, und er wächst extrem schnell - wirklich sehr, sehr schnell, was ihn auch für die Waldwirtschaft interessant macht. Der Blauglockenbaum wächst daher sowohl im Klima- als auch im Energiewald des Waldlabors. Das Holz ist leicht, aber robust und wird aufgrund dieser seltenen Kombination zweier Eigenschaften unter anderem in Surfbrettern verbaut. Zwei Teilnehmerinnen gelang es recht mühelos, einen abgestorbenen Stamm anzuheben.

Zweige mit sehr großen herzförmigen Blättern und dunkelbraunen Samenkapseln, (c) Andrea Kamphuis

Das herkömmliche Verbreitungsgebiet der Flaumeiche durchzieht Europa als breites Band, von Frankreich im Westen bis zur Türkei im Südosten. Aufgrund ihrer Fähigkeit, mit Trockenheit und Wärme zurechtzukommen, gedeiht die Art aber auch bei uns mittlerweile gut. Die Blätter ähneln denen unserer alteingesessenen Stiel- und Traubeneichen, aber die Bäume bleiben mit etwa 15 Metern Höhe kleiner und wachsen oft krumm, was ihre Verwertbarkeit einschränkt: 

Zweig mit typischen gelappten Eichenblättern, (c) Andrea Kamphuis

In der letzten der sechs Klimawald-Inseln (die Walnuss habe ich hier ausgelassen) sind Küstentannen angepflanzt. Sie stammen aus Nordamerika und werden als Nachfolger der Fichte diskutiert, die sich vom Klimawandel und der Borkenkäferplage nicht mehr erholen wird. Fichten waren eigentlich nie für das in weiten Teilen Deutschlands herrschende Klima geeignet und werden sich nun in Refugien im Gebirge und in Nordeuropa zurückziehen. Die Waldwirtschaft möchte aber nicht auf einen rasch wachsenden, robusten Nadelbaum verzichten, der gerade Stämme hat. Markus Bouwman hat dafür Verständnis, appelliert aber: "Bitte nicht wieder als Monokultur!" Denn diese Wirtschaftsform ist per se nicht nachhaltig; sie ist und bleibt anfällig für Krankheiten, Parasiten, Waldbrände usw. Küstentannen lassen sich auch als Weihnachtsbäume nutzen, und mit ihren Knospen, die ganz wunderbar nach Zitrus duften, kann man zum Beispiel Tannenspitzenlikör ansetzen.

Trieb einer Küsten-Tanne mit flachen Badeln, die zu beiden Seiten abstehen; (c) Andrea Kamphuis

Kommen wir auf den Energiewald zurück: Neben Robinien und einigen weiteren schnellwüchsigen Baumarten stehen hier Pappeln, denen man den Charakter einer Plantage sofort ansieht. Zuletzt wurden die Bäumchen im Februar 2022 abgeerntet, also unmittelbar vor Kriegsbeginn, als noch niemand wusste, wie wir heute über Energiemangel und Alternativen zum Gas und Öl diskutieren würden. Seither sind sie schon wieder ordentlich ausgeschlagen:

zahlreiche senkrecht nach oben wachsende, junge Pappeltriebe vor blauem Himmel; (c) Andrea Kamphuis

Die Erntemaschinen, die durch die Reihen dieser Holzplantagen fahren, kappen die Stämmchen alle paar Jahre direkt über der Erdoberfläche und häckseln das Holz sofort, wie man das von der Biomasse-Maisernte kennt. Die Baumarten, die hier wachsen, sind alle imstande, aus dem im Boden verbliebenen Stock neu ausschlagen.

Die Spezialmaschinen können nur Stämmchen von geringem Durchmesser durchtrennen, sodass man die Ernte nicht einfach um ein paar Jahre verschieben kann, wenn der Markt gerade keine guten Preise bietet oder man keinen geeigneten Abnehmer an der Hand hat. Die feuchten Hackschnitzel können nämlich nicht in jedem x-beliebigen Heizkraftwerk oder Ofen verbrannt werden. Als der Energiewald angelegt wurde, hatte der Sponsor und Partner RheinEnergie, der zu 80% in kommunaler Hand ist, noch vor, ein entsprechendes Biomassekraftwerkt zu bauen. Dann änderte die schwarz-gelbe Bundesregierung 2012 das Erneuerbare-Energien-Gesetz, woraufhin ein solches Kraftwerk nicht mehr rentabel gewesen wäre. Die RheinEnergie nahm vom Bau Abstand, und seither wird die Holzernte in LKW durch halb Europa zu verschiedenen Abnehmern gefahren: nicht gerade ein Glanzprojekt. 

Wie zum Hohn lugt hier der Unternehmenssitz von RWE über die sogenannte Kurzumtriebsplantage im Waldlabor: So sieht erfolgreicher fossiler Lobbyismus aus ... (Bis vor einigen Jahren hielt RWE übrigens noch 20% der Anteile der RheinEnergie.)

vorne gelbliches Gras, dahinter grüne Jungpappeln, ganz hinten der Sitz der RWE Power AG, (c) Andrea Kamphuis

Die südliche Spitze des Tortenstpücks bildet der sogenannte Wildniswald, in dem nach einer kleinen Starthilfe durch die Förster nun wachsen darf, was will. Besucher dürfen hier auch abseits des Wegs herumlaufen und Beobachtungen anstellen. Das Startbild dieses Beitrags zeigt das Blätterdach, das an dieser Stelle vor allem von jungen Bergahornen gebildet wird. Aus dem benachbarten Waldstück, das nicht mehr zum Waldlabor gehört, sind die Ahornsamen hierher geweht. Weiter im Inneren des Wildniswaldes - der noch recht zahm aussieht, aber die Pubertät auch noch gar nicht erreicht hat - finden sich Baumarten, deren Samen eher von Eichelhähern oder Eichhörnchen dort verloren oder vergessen wurden. Das Artengefüge wir sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch wandeln: Lichtbedürftige Pionierpflanzen wie die Birken werden dann allmählich von langsamer wachsenden Arten überragt, beschattet und verdrängt. 

Das Waldstück nebenan, aus dem die Ahornsamen stammen, ist ein klassischer älterer Erholungswald, der dem Auge eine angenehme Mischung aus großen und kleinen Bäumen bietet. Obwohl er viel natürlicher wirkt als die Flächen im Waldlabor, wurde auch er künstlich angelegt, wie alle Wälder in Köln mit Ausnahme des Gremberger Wäldchens. Vor gut 60 Jahren wurde hier die sogenannte Kölner Mischung ausgebracht, zu der neben Ahorn, Linde und Haselnuss auch Esche und Buche gehören. Der dicke, gerade Stamm hier links im Bild gehört zu einer mächtigen Gemeinen Esche, das schmale Stämmchen direkt rechts daneben zu einer Rotbuche:

Blick in einem Wald nach schräg oben: links eine sehr hohe und dicke Esche, direkt rechts daneben eine sehr dünne Buche, rechts eine weitere, dickere Buche, (c) Andrea Kamphuis

Bouwman stellte uns hier, am Ende der Führung, eine Fangfrage: Wie alt ist die Esche, wie alt die Buche? Wie sich zeigte, sind beide Exemplare - und alle Bäume ringsum - gleich alt, nämlich gut 60 Jahre. Die Esche hat sich durch rasches Höhenwachstum und die Ausbildung einer üppigen Krone einen Startvorteil verschafft und beschattet seither die Buche, die das zwar gut verträgt, aber kaum an Dicke und Höhe zulegt. Sollte die Esche sterben oder gefällt werden, würde die Buche die Wachstumsbremse lösen und ihre Chance nutzen. Die Sukzession, der Generationswechsel der Bäume in einem Wald, hat hier aber noch gar nicht richtig eingesetzt, da die erste Generation noch keine Anstalten macht, abzusterben.

Auch nach mehreren viel zu trockenen Monaten war der Unterbewuchs in diesem Waldstück noch grün: Die alten Bäume werfen einen dichten Schatten und wurzeln offenbar so tief, dass sie noch genug Wasser finden. Davon profitiert auch die Strauchschicht. An anderen Stellen hat der Wald in Köln aber schon ordentlich gelitten unter der Dürre. Inzwischen gab es zum Glück einige ergiebige Regenfälle, sodass sogar die versteppten Rasenflächen und Wiesen im Kölner Grüngürtel diesem Namen wieder Ehre machen.

 

Zum Weiterlesen

Website des Waldlabors

Kölner Stadt-Anzeiger: Nie war er so wertvoll wie heute. Der Kölner Wald ist für Großstadtbewohner ein Schatz

Stadtrevue: Ein sommerlicher Spaziergang durch die »Kölner Mischung«