Schnee, der an den Ästen und Zweigen haftet, kann die Konturen eines kahlen winterlichen Baums betonen, aber auch verschwimmen lassen - vor allem, wenn es gerade dicke Flocken schneit wie hier. Beim Besuch der Hubertusbuche in der Nähe von Blankenheim (Eifel) haben wir beides gesehen. Ist diese Gestalt nun "typisch Rotbuche"? Gibt es das überhaupt: eine charakteristische Silhouette, einen typischen Habitus einer Baumart?

Dieses Exemplar steht nicht nur am Waldrand, sondern regelrecht an einer Waldecke. Es ist schon fast ein Flurbaum, so viel Licht und Wetter bekommt es von drei Seiten ab. Das führt oft zu einer ausladenden, grob kugeligen Krone:

Der Stamm teilt sich nicht einmal vier Meter über dem Boden in seine Hauptäste auf, und diese bilden so etwas wie einen Korb; sie breiten sich zunächst fast waagerecht aus, bevor sie nach oben abbiegen:

Das ist unverkennbar eine Rotbuche - aber nicht die eine Buchengestalt. Das wird direkt hinter ihr klar, in dem Buchenforst, durch den wir weitergewandert sind: Diese Bäume wurden offenbar alle etwa gleichzeitig gepflanzt und stehen dicht beieinander. Obwohl sie derselben Art angehören wie die Hubertusbuche, haben sie sehr gerade, hohe Stämme, von denen nur wenige dürre Ästchen und Zweige abgehen. Das Ganze wirkt fast wie eine gotische Kathedrale:

Erst weit oben verzweigen sich diese Buchen zu kleinen Kronen. Um genug Licht abzubekommen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als mindestens so schnell wie ihre Nachbarn in die Höhe zu wachsen. Denn in deren Schatten Photosynthese zu betreiben, ist trotz der buchentypischen großen Schattenblätter wenig ergiebig und ließe die Bäume irgendwann absterben. Genau deshalb wurden sie so eng gepflanzt: damit man aus ihnen lange, gerade, gut weiterzuverarbeitende Stämme gewinnen kann:

Wie sehr das verfügbare Licht die Gestalt von Buchen beeinflusst, zeigt auch dieser Weg, der auf einem alten Bahndamm verläuft: Die benachbarten Bäume haben sich so stark über den Weg geneigt, um ihrem Laub viele Photonen zu verschaffen, dass man regelrecht durch einen Tunnel geht.

Nicht nur die Gestalt, auch die Größe von Rotbuchen ist äußerst variabel. Alte Bäume sind natürlich meist dicker und höher als junge, aber viele Baumarten sind in der Lage, nach einer wachstumsstarken "Kindheit" über Jahrzehnte mehr oder weniger zu stagnieren, nur um wieder loszulegen, wenn die alten, hohen Bäume in ihrer Nachbarschaft gestorben sind und wieder Licht verfügbar ist. Hier sehen wir rechts beeindruckende Riesenbuchen, links deutlich kleinere Exemplare - und unten in der Mitte, geschützt, aber auch beschattet, ein paar "natürliche Bonsais":

Dass diese Winzlinge ebenfalls Rotbuchen sind und gar nicht mal so jung, zeigt die Zoom-Aufnahme:

Dass sie ihr rötliches Herbstlaub noch tragen, ist ganz typisch für klein gewachsene Buchen; man sieht es oft auch in Buchenhecken. Und bei großen Buchen tragen die unteren Zweige oft noch ihre Blätter, während die Krone schon größtenteils kahl ist. (Zum Laubfall im Herbst schreibe ich die nächsten Tage noch etwas.)

Das Fazit: Wie bei vielen anderen Bäumen fällt es schwer, eine kanonische Buchen-Gestalt zu nennen oder etwa eine typische Größe für ein bestimmtes Alter. Beides hängt stark von den örtlichen Gegebenheiten ab. Bei Tierarten ist das meistens anders.

Aber wenn man eine Weile bewusst darauf achtet, bildet sich doch ein Spektrum an typischen Erscheinungsbildern heraus: eine Art, sich zu verzweigen, die Äste in bestimmten Winkeln zu einander wachsen zu lassen und die Zweige zu krümmen, die es uns erlaubt, einen Baum schon aus der Ferne als mutmaßliche Rotbuche anzusprechen - noch bevor wir die Art an der Rinde, an alten Bucheckern oder am verbliebenen Laub sicher zu bestimmen.