Ahorn, könnte man meinen, ist gleich Ahorn. Nichts da! Es gibt zahlreiche Arten, die sich unter anderem in ihrer geografischen Herkunft, dem bevorzugten Ökosystem, ihrer Blütengestalt und -farbe, dem Winkel zwischen ihren Flügelnüssen, ihrer Blattform, ihrem Lichtbedarf und ihrer Blüte- und Laubaustriebzeit unterscheiden. Am bekanntesten sind vielleicht der Feld-, der Berg-, der Spitz- und der Silber-Ahorn. Einen Feld-Ahorn habe ich in Köln noch nicht entdeckt. Den Silber-Ahorn mit seinen sehr frühen, roten Blüten habe ich neulich bereits vorgestellt:
Anders als der Silber-Ahorn, der im Februar lange vor dem Blattaustrieb blüht, ist der Spitz-Ahorn erst im März und April dran mit seiner Blüte, die nahtlos in den Blattaustrieb übergeht. In der Mitte der linken dieser gelbgrünen Doldentrauben erkennt man schon die ersten, noch zusammengefalteten Blättchen:
Kurz darauf entfalten sich die Blätter, deren Form dem Spitz-Ahorn seinen Namen gibt:
Gerade an sehr jungen Bäumchen haben sie oft einen Rotschimmer; außerdem glänzen sie sehr appetitlich:
Die Blätter an diesen jungen Trieben sind kreuzständig; es stehen sich also immer zwei gegenüber, und die nächsten wachsen dann im 90-Grad-Winkel zu ihnen, sodass sie sich gegenseitig nicht gleich das Licht rauben:
Hier ein junger Berg-Ahorn, dessen Blätter stumpfere Finger haben, aber ebenfalls kreuzständig wachsen:
Offenbar schmecken die Blättchen gut. Ahornblätter enthalten relativ viel Protein und Zuckersaft, der Blattläusen schmeckt - die wiederum Ameisen anlocken:
Aus dem jungen Laub des Spitz-Ahorns, das nicht so bitter schmeckt wie viele andere Blätter, kann man auch Salate, Tees und Sauerkraut machen. Auch als Viehfutter wird Ahornlaub gerne eingesetzt; daher werden die Bäume traditionell auch Schneitelbäume genannt. Aber Vorsicht: Die Blätter des Bergahorns können für Pferde tödlich sein, da sie eine Aminosäure (Hypoglycin A) enthalten, deren Abbauprodukt (MCPA) für sie giftig ist.
Wenn es kurz vorm oder mitten im Austrieb noch mal richtig kalt wird, sterben u. U. die zarten Blattspitzen ab, aber das verträgt das Bäumchen:
Überhaupt ist junger Ahorn hart im Nehmen, angefangen bei den länglichen Keimblättchen, die nach ihrer Entfaltung oft sichtbare Knicke aufweisen:
Ahornsamen keimen leicht und in großer Zahl, wo auch immer der Wind die Flügelnüsse hingetragen hat. Ihre ersten echten Blätter haben noch keine ausgeprägten Finger:
Am größten ist die Dichte junger Ahorne in der Nähe ihrer Eltern. Dort entstehen regelrechte Ahorn-Kindergärten. In den ersten Jahren wachsen sie schnell bis auf etwa zwei Meter Höhe heran, dem Licht entgegen:
Dann allerdings stellen sie oftmals das Wachstum ein. Botaniker sprechen vom Oskar-Syndrom, benannt nach dem Jungen in Günter Grass' Roman "Die Blechtrommel". Die Bäumchen hätten nur dann eine langfristige Überlebenschance, wenn ein ausgewachsenes Exemplar in ihrer Nachbarschaft vom Sturm oder von Menschen gefällt wird oder an einer Krankheit stirbt. Denn sie brauchen viel Licht. Gibt es das nicht, so geben sie einfach auf und sterben nach einer Weile.
In der Stadt - wie hier in dem winzigen Wäldchen hinter dem "Fort X" in Köln - kann es aber sein, dass die Leute vom Grünflächenamt mit ihren Sensen und Sägen den natürlichen Prozess beschleunigen.