Muster des Monats 5/2019; (c) Stephan Matthiesen

Man sieht die toten Überreste eines Birkenwaldes im Wasser:

Birken im Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Die Aufnahmen entstanden bei einer Exkursion zum Dosenmoor bei Neumünster (Schleswig-Holstein) im März diesen Jahres im Rahmen eines Workshops an der Universität Kiel:

Exkursion ins Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Der Workshop beschäftigte sich mit der Landschaftsarchäologie, also dem Verhältnis zwischen menschlichen Kulturen und Landschaften, in den letzten 15000 Jahren. Da in dieser Zeit (grob gesagt seit dem Ende der letzten Eiszeit) die Menschheit praktisch alle Lebensräume der Welt besiedelt hat, umfasste das Themenspektrum so unterschiedliche Themen wie das Wassermanagement griechischer Tempel oder den Einfluss von Klimaveränderungen auf die Kulturen entlang der antiken Seidenstraße. Das Dosenmoor ist ein kleineres, lokales Beispiel für drastische Veränderung der Landschaft im Laufe der Zeit sowohl durch natürliche Vorgänge als auch durch Aktivitäten des Menschen. Denn Moore sind Strukturen, die im geologischen Maßstab gar nicht so alt sind.

Als sich nach der Eiszeit das Eis nach Norden zurückzog, blieb an der Stelle des heutigen Moors zunächst ein Toteisblock zurück, also ein großer Eisblock, der nicht mehr mit einem aktiven, sich bewegenden Gletscher verbunden war. Um den Toteisblock herum sammelten sich Sedimente aus dem Gletscherschmelzwasser an, und als der Eisblock schließlich selbst schmolz, hinterließ er eine Senke, die sich mit Wasser füllte: Ein See entstand, der sogenannte Dosensee. Die ganze norddeutsche Tiefebene ist von größeren und kleineren Seen geprägt, die auf ähnliche Weise durch Toteisblöcke entstanden sind. Hier etwa der Belauer See, den wir nach einer Kaffeepause (mit unglaublicher Kuchenauswahl) in Bornhöved besuchten:

Belauer See; (c) Stephan Matthiesen 2019

Am Ufer des Belauer Sees wächst Schilf. Dies war auch beim Dosensee der Fall, und über die Jahrtausende sammelten sich abgestorbenes Schilf, Wasserpflanzen und Sedimente an, sodass der See verlandete bzw. versumpfte. Er wurde zunächst zu einem Niedermoor, also einem Feuchtgebiet in einer Senke, das durch das Grundwasser gespeist wird. Hier konnten Torfmoose wachsen:

Torfmoos im Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Torfmoos im Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Torfmoose sind für die Entwicklung von Mooren essenziell. Sie sind wechselfeucht, sind also nicht gegen Austrocknen geschützt, können aber Trockenzeiten überstehen, indem sie den Stoffwechsel reduzieren. Sie sind keine Gefäßpflanzen, haben also keine Leitbündel, die Wasser aus dem Boden zu den Blättern transportieren; vielmehr nehmen sie das Wasser direkt aus der Umgebungsluft auf und können nur bei hinreichend feuchten Verhältnissen aktiv leben; dann können sie aber sehr große Wassermengen aufnehmen. Diese Merkmale sind für das Leben im Moor ideal. Denn die Torfmoose können an der Spitze nach oben hin immer weiter wachsen, während die unteren, älteren Teile absterben - sie werden ja nicht für den Wassertransport benötigt.

So wächst das Moor langsam, etwa einen Millimeter pro Jahr, in die Höhe, während die abgestorbenen tieferen Teile der Moose im Wasser unter Luftabschluss zu Torf werden. Da das Moos wie ein Schwamm das Regenwasser festhält, kann es über den Grundwasserspiegel hinauswachsen, und das Niedermoor wird zum Hochmoor, das nun keine Senke mehr bildet, sondern sich aufwölbt: Das Zentrum des Dosenmoors lag im 19. Jahrhundert etwa 8 bis 10 Meter höher als der Rand. Nieder- und Hochmoore unterscheiden sich nicht nur durch ihre Höhe, sondern auch durch ihre Ökologie. Das Wasser in Niedermooren ist Grundwasser, das mineral- und nährstoffreich ist, da es bereits durch verschiedene andere Böden- und Gesteinsschichten geflossen ist. Das Wasser in Hochmooren ist dagegen das vom Moos gehaltene Regenwasser; es ist also sehr arm an Nährstoffen. Hier können nur Pflanzen leben, die mit der Nährstoffarmut zurechtkommen: Wiederum Torfmoose, die selbst kleinste Nährstoffmengen im Wasser nutzen können, oder auch fleischfressende Pflanzen, die sich einfach nahrhafte Insekten schnappen.

Die natürliche Abfolge war also vom See über ein Niedermoor zu einem Hochmoor. Doch dann gab es auch noch den Einfluss der Menschen. Vor allem seit dem 19. Jahrhundert wurde immer intensiver in das Moor eingegriffen. Schon vor Jahrhunderten wurden erste Entwässerungsgräben angelegt, um Teile des Moors landwirtschaftlich zu nutzen und um Torf abzubauen, zunächst für den Eigenbedarf der umliegenden Dörfer, doch im 20. Jahrhundert auch kommerziell. Spuren des Abbaus sind auch heute noch als Gruben erkennbar:

Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Im entwässerten Moor konnten sich Birken ansiedeln. Diese Bäume kommen mit recht feuchten, aber nicht mit ständig überschwemmten Standorten zurecht. In diesem Bild erkennt man ziemlich genau in der Bildmitte noch die Kante alter Entwässerungsgräben:

Birken im Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Doch die Zeiten änderten sich wieder; 1977 wurde der seit den 60er-Jahren industriell betriebene Torfabbau eingestellt und ab 1978 wurde begonnen, das Gebiet wieder in ein Hochmoor zu überführen ("Renaturierung"). Dazu gehörte eine Reihe von Maßnahmen. Die Entwässerungsgräben wurden verfüllt und Dämme angelegt, um das Wasser zurückzuhalten. Tiefe Torfgruben wurden teils planiert. Auch Birken wurden entfernt, da sie zu einer stärkeren Verdunstung führen und damit den Wasserspiegel senken. Vielerorts starben die Birken jedoch, wie jene im allerersten Bild, einfach durch den Anstieg des Wasserspiegels ab:

Birken im Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

In so einem Moor gibt es viele Details zu sehen, etwa Pilze an den toten Baumstämmen:

Baumstumpf im Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Baumstumpf im Dosenmoor; (c) Stephan Matthiesen 2019

Leider war es bei der Exkursion (wie schon während der ganzen Workshop-Woche) trübe, kalt und sehr regnerisch, sodass nicht nur die Birken nasse Füße hatten. Und da wir die Wege bzw. den Holzsteg nicht verlassen konnten, konnte ich auch nicht so viel fotografieren, wie ich wollte - die Kuchenpause in Bornhöved war dafür umso willkommener!