Muster des Monats; (c) Andrea Kamphuis

Welches alltägliche winterliche Objekt zeigt diese Nahaufnahme?

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Die Fotos für diesen Artikel habe ich nicht im Urlaub oder bei einer Wochenendwanderung in der mehr oder weniger freien Natur gemacht, sondern mit dem Handy in einer Mittagspause auf einem Wirtschaftsweg der Bahn am Mediapark in Köln. Nach einigen Tagen leichtem Frost waren die vielen Pfützen auf diesem Weg gefroren; die Eisschicht war etwa zwei Zentimeter dick. Die winzigen Luftblasen im ersten Bild wurden bei diesem Prozess teils ins Eis eingeschlossen und teil von ihm nach unten geschoben, wodurch die kurzen senkrechten Striche entstanden. 

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

An den runden oder ovalen Labyrinthen aus teils weißem, teils transparentem Eis lässt sich der Prozess des Gefrierens rekonstruieren.

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Die mehr oder weniger konzentrische Anordnung zeigt, dass die Steifen wohl sukzessive entstanden sind. Fragt sich nur: von der Mitte ausgehend zum Rand - oder vom Rand ausgehend zur Mitte?

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Manche der Eisschichten waren offenbar unter dem Gewicht von Fahrzeugen aufgesprungen oder regelrecht zermahlen worden:

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Auffällig oft war aber nur die Mitte der Pfütze zerbröselt, unter der sich offenbar ein Hohlraum befand - ein guter Hinweis auf die Wachstumsrichtung der Labyrinthmuster:

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Auch innerhalb der weißen Streifen waren hier und da feinere Streifenmuster zu erkennen, die ebenfalls auf einen rekursiven, rhythmischen Prozess hindeuten:

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Wie das zustande kommt, erklärt der Physiker Hans-Joachim Schlichting sehr schön in seinen Vorlesungsfolien vom März 2018, und zwar auf den Folien 15-23. Zunächst gefriert eine dünne Schicht an der Oberfläche der Pfütze. Von da an kann kein Wasser mehr verdunsten, aber es versickert allmählich im Boden. Da die Eisschicht hydrophil ist, also den Kontakt zum Wasser darunter zu halten versucht, verbiegt sie sich: Am Rand ist sie am Boden fixiert, aber in der Mitte kann sie sich absenken. Luftblasen sammeln sich daher zunächst am Rand und werden dort durch das wachsende Eis fixiert. In diesen Hohlräumen sammelt sich dann Wasserdampf und schlägt sich an der Eisschicht-Unterseite nieder. Dort wird das Eis blind, also weiß. 

Irgendwann wird die Spannung so groß, dass die Verbindung zwischen der Eisfläche und dem schwindenden flüssigen Wasser darunter reißt. Dann beginnt der Prozess von vorn. Allmählich friert die Pfütze vom Rand zur Mitte hin weiter zu. In der Nähe des Randes reicht das Eis bis zum Pfützenboden, in der Mitte verbleibt aber ein flüssiger Rest bzw. nach dessen Versickern ein Hohlraum. Hier ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass die Eisschicht zerspringt. 

Da das Eis beim Kristallisieren auf alle möglichen Einflüsse wie Pflanzenteile, Steinchen oder Wind reagiert, entstehen komplexe Muster. Hier hat sich ein halbes "Farnblatt" gebildet, und in den geradlinig begrenzten Löchern sind Eiskristall-Dendriten gewachsen:

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Das "Farnblatt" besteht aus Raureif, der sich auf winzigen parallelen Kämmen auf der Eisoberfläche niedergeschlagen hat, und die Dendriten wachsen genau senkrecht zu den geraden Rändern allmählich zur Mitte der Löcher:

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Hier sehen wir - rechts neben den "Eispflänzchen" - ein echtes Pflänzchen, nämlich ein Stück Moos, das die Eisstruktur in seiner Umgebung subtil beeinflusst hat:

Gefrorene Pfütze; (c) Andrea Kamphuis

Inzwischen ist das Eis wieder geschmolzen, es regnet, der Himmel ist schwer und grau. Von mir aus könnte jetzt der Frühling kommen.